Burgstadel Bärenstein

Besser als Hansjörg Willig, einer der Gründer und 1. Vorsitzender des Vereins, kennt wohl niemand die Geschichte des Burgstadels Bärenstein. Nicht nur, dass er in seiner Nähe aufgewachsen ist, er hat auch seine Studienarbeit über den Bärenstein geschrieben, seine Geschichte erforscht und den Burgstadel Bärenstein quasi wiederentdeckt. Lesen Sie hier seinen persönlichen und geschichtlich-geografischen Beitrag.

Foto: www.Schwarzwald-Informationen.de

Vorgeschichte

Als Förstersohn verbrachte ich meine Kindheit im Diensthaus meines Vaters in Herrenwies. Das für ihn 1928 gebaute Forsthaus grenzte westlich an die 1894 erbaute Pfarrkirche St. Antonius und nördlich an den „Distrikt Bärenstein“, der bis zur Badener Höhe reicht. Der durch den Distrikt Bärenstein zum Herrenwieser Sattel führende „Bärensteiner Weg“ wurde in den Wintertagen von der Herrenwieser Jugend als ideale Streckenführung für ausgiebige Ski- und Rodelpartien genutzt, deren Auslauf bis in die Dorfmitte reichte. Lagebezeichnungen in unmittelbarer Nähe wie „Vorfeldkopf“ und „Mittelfeld“ waren uns Kindern und Jugendlichen durchaus geläufig, ohne dass wir uns je für Gründe interessiert hätten, die evtl. mit der Namensgebung in Zusammenhang stehen könnten. Ebenso verhielt es sich mit dem „Bärenfelsen“ unterhalb des Kurhauses Sand – ein ungewöhnlich imposanter Granitfels, welcher von der männlichen Herrenwieser Jugend bisweilen als Abenteuerspielplatz wahrgenommen wurde. „Hausliftfahren“ im von der Landesversicherungsanstalt nach dem Krieg erbauten „Straßburger Hof“ mit dem Sohn des Direktors, Horst Rauch – er war ebenfalls Schüler in Herrenwies  – war immer eine willkommene Alternative zum Spielplatz Bärenfelsen.

Nach der Pensionierung meines Vaters 1965 verließen wir Herrenwies und zogen nach Bühl / Neusatz. Das Thema „Bärenstein“ war allerdings immer in meinem Hinterkopf. Nach Schule, Berufsausbildung, Bundeswehr und erneuter Schule folgte das Studium für Germanistik, Geografie und Sport an der Universität Karlsruhe. Bei zahlreichen Exkursionen in den Bereichen Geologie, Mineralogie und Landeskunde war u. a. auch die mittelalterliche Adelsburg im Fokus, die Geschichte um den Bärenstein also wieder präsent. Landeskundler Prof. Dr. E. Reinhard regte mich letztendlich dazu an, den Spuren um den Bärenstein im Rahmen einer landeskundlichen Arbeit nachzugehen. So lautete der Titel meiner Staatsarbeit: „Die Burgen am Westrand des Schwarzwaldes zwischen Kinzig und Pfinz – ihre geografische Situation, Lage und kulturlandschaftliche Bedeutung“.

Während das Erfassen der Hoch- und Tiefburgen im definierten Untersuchungsbereich überwiegend reine Literaturarbeit war, bot sich am Bärenstein aufgrund der bescheidenen Quellenlage die Chance auf eine Feldforschungsarbeit, um die Geschichte um den Burgstadel etwas zu erhellen. So begann die Arbeit mit der Suche anthropogener Spuren am Fels selbst, die reichlich unter dem den Fels bedeckenden Moos freigelegt werden konnten. Überall im Umfeld fanden sich auch exakt zugehauene Sandsteine. Die in Form von Bossenquadern sorgfältig behauenen Steine sowie für andere Zwecke säulenartig oder abgetreppt vorhandenes Sandsteinmaterial zeigen, dass beim Bau der kleinen Burganlage auch repräsentative Aspekte eine Rolle gespielt haben müssen. Umfangreiche Reste von Ziegelmaterial deuteten auch auf ausgiebige Dacheinheiten hin. Ausgegrabene handgeschmiedete Nägel beweisen die umfangreiche Verwendung von Holz. Tellerteile aus Ton und weitere Teile von Gebrauchsgegenständen belegen, dass die Burg Bärenstein bewohnt war. Der noch gut erkennbare Burggraben auf der Südseite ist ebenfalls typisch für Hochburgen. Ein vermutlich 1771 entstandener Plan mit entsprechend nummerierten Grenzsteinen zeigt auf der Rückseite der Steine jeweils die Jahreszahl 1771, so dass um diese Zeit auch der Plan entstanden sein muss. Interessant ist die Ausdehnung des Herrschaftlich Bärensteiner Besitzes, der bis Herrenwies reichte. Die topografischen Bezeichnungen Vorfeld, Vorfeldkopf, Mittelfeld und Mittelfeldkopf sowie die Bezeichnung des Distriktes Bärenstein erhalten so eine siedlungsgeografische Bedeutung. Nahezu allen Hochburgen im Untersuchungsbereich dienten als Versorgungsstationen sogenannte Burgweiler (s. Burg Windeck mit Waldmatt oder Burg Eberstein mit Ebersteinburg). So lagen die urbaren Güter der Bärensteiner im Hochtal zwischen Sand und Herrenwies. Eine frühere Datierung der Siedlung Herrenwies scheint mir daher sehr wahrscheinlich.

Verschiedene Bezeichnungen des Gebäudekomplexes oberhalb des „Bärenfelsens“

Ähnlich wie die Höhenhotels an der Schwarzwaldhochstraße wurde Ende des 19. Jahrhunderts das „Luftkurhotel Bärenstein“ erbaut. Bis 1914 betrieb Christian Wenk das Hotel, dann wurde es in „Friedrich-Hilda-Heim“ umbenannt nach dem Großherzog Friedrich und seiner Gattin Hilda. Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude im März 1945 völlig zerstört. Es folgte der o. bereits erwähnte Neubau „Straßburger Hof“. 1976 wurde das Haus in eine Langzeiteinrichtung für drogenabhängige Frauen umgewandelt und firmierte unter dem Begriff „Berghofklinik“ bis zur endgültigen Schließung 1997, da dringend notwendige Gelder für Modernisierungsmaßnahmen nicht aufgebracht werden konnten. Ein bulgarischer Investor erwarb das Haus, begann mit Renovierungsarbeiten. Nachdem beabsichtigte Nutzungsvorstellungen sich nicht verwirklichen ließen, kam es 2013 zu einem Großbrand, der den Dachstuhl der einstigen Klinik völlig zerstörte. Im Erd- sowie im Dachgeschoss entdeckten die Einsatzkräfte zwei Brandherde, die auf Brandstiftung schließen ließen. Es folgten Vandalismus, ein weiterer Brand und bis ins Jahr 2021 ein Rechtsstreit, bei dem es um meineidliche Falschaussage und Versicherungsbetrug ging und noch immer geht.

Zur Arbeit am „Bärenstein“ selbst

Nach gründlicher Vermessung und Darstellung der kleinen Burganlage sollte eine „Schummerung“ einer groben plastischen Orientierung dienen. Es folgten Ausgrabungsarbeiten. Das Ergebnis ist auf der Infotafel unterhalb der Schummerung auf neun Fotografien abgebildet: „Bearbeitungsspuren“, „Baumaterial“, „Gebrauchsgegenstände“. Bei der Ausgrabung selbst erhielt ich wertvolle Unterstützung durch den ehemaligen Wiedenfelsen-Hotelier Karl Müller. Er installierte eine kleine Feldküche vor Ort, so dass die Arbeitspausen immer wieder von kulinarischen Köstlichkeiten durch Küchenmeister Karl Müller unterbrochen wurden. Während mein Augenmerk zentral auf die geschichtliche Erforschung der kleinen Burganlage gerichtet war, träumte Karl immer vom Fund und der Bergung eines möglichen Schatzes. Nach Gründung unseres Vereins 2013 wurden Karl und seine Frau Uschi spontan Vereinsmitglieder. Leider ist Karl Müller 2018 während eines Urlaubs unerwartet verstorben.

Anlass zur Vereinsgründung 2013 war die „Rettung“ des Kurhauses Sand. Wir wollten gemäß unserer gesetzten Vereinsziele „Wachrüttler“ sein, darüber hinaus aber auch sichtbare Aktivitäten entwickeln. Zwei davon waren die Instandsetzung und Wiederbegehbarmachung des „Burgstadels Bärenstein“ und der Erwerb der „Alten Kirche St. Antonius“ in Herrenwies.

Geschichte

„Zwen  unnd  zwanzigiste Marckhstein, von dannen geht die Marckhung für rechts durchs Thall hinuber, biß an Burgstadel Bernstein, da vor Jaren dass Schloß Bernstein gestanden, ist Zum Theyl ein selbs gewachsener Velsen, zum Theyl aber mit Quaterstueckher gemauert, zusehen,…“ (Amtsbeschreibung 1598, Generallandesarchiv Karlsruhe 66 / 1437)

Der erste bekannte Besitzer der Burg Bärenstein ist im 14. Jahrhundert der Edelknecht Heinz Glatz von Lomersheim, verheiratet mit Margarete von Windeck. Diesem folgt der badische Kanzler Hans Cunzmann von Staffort, welcher seit 1413 mit Anna, der Witwe des Reinhart von Windeck, vermählt ist. Als dieser 1420 in Ungnade fällt, verliert er seinen Besitz an der Burg Bärenstein an Markgraf Bernhard von Baden, welcher 1426 den Edelknecht Berchtold Clobelauch mit der einen Hälfte der Burg und der Zugehör belehnt. Die andere Hälfte besitzt  Burkhard von Windeck. Auf  Berchtold Clobelauch folgt Wilhelm Knobelauch, der 1451 und 1454 vom Markgrafen mit seiner Hälfte der Burg Bärenstein belehnt wird.

1598 ist die Burg zerstört und unbewohnt. Lange Zeit vergessen und im dichten Wald kaum mehr sichtbar, ist es Karl von Beust, der in seinem 1857 erschienenen Reiseführer auf die Ruine Bärenstein hinweist. Dort habe man vor Jahren auch einen Portalbogen mit gotischen Formen gefunden und nach Bühl gebracht.

„Der Edelknecht Berchtold Clobelauch erhielt von Markgraf Bernhard von Baden die Hälfte der Burg Bärenstein mit ihrem umliegenden Besitz an Wasser, Wald und Weide. Berchtold versprach, mit seinem Schwager Burkard von Windeck, der den anderen Teil der Burg besaß, einen Burgfrieden zu schließen.“ Pergamenturkunde vom 4. Mai 1426 (Generallandesarchiv Karlsruhe)

Unterhalb des Hotels Sand an der Schwarzwaldhochstraße, im Tal des Wiedenbachs, erhebt sich der Bärenfelsen. Auf diesem zerklüfteten Granitfelsen und um ihn herum stand ursprünglich die Burg Bärenstein, deren ursprünglicher, durch den Burggraben, eingegrenzter Grundriss noch im Gelände erkennbar ist. Möglicherweise diente die Burg dem Schutz einer Straßenverbindung durch das Bühler Tal.

Gestalt und geografische Lage – Geschichte

Von Bühl / Bühlertal aus gebirgswärts liegt wenige Meter unterhalb der Kreuzung Sandstraße – Schwarzwaldhochstraße (B 500) der Burgstadel Bärenstein. Auf den ersten Blick erhebt sich lediglich ein mächtiger Granitfels des Grundgebirges (Wollsackverwitterung), der durch die hohe Reliefenergie in diesem Bereich im Laufe der Jahrtausende vom weicheren Anteil des Deckgebirges befreit wurde.

Der Burgstadel Bärenstein befindet sich nahe der Wasserscheide, wobei der nach Osten fließende Schwarzenbach zur Murg, der nahe dem Bärenstein entspringende Wiedenbach auf dem kürzesten Weg direkt talwärts (westwärts) zum Rhein hin entwässert.

Das Phänomen der „Wollsackverwitterung“ geht erdgeschichtlich auf das Erdaltertum (Paläozoikum – Beginn vor ca. 350 Millionen Jahren) zurück. Übriggebliebene erdgeschichtliche Zeugen für uns sind die überall am Westrand des Schwarzwaldes imposanten Felsformationen aus Granit wie hier der Bärenstein oder die benachbarten Wieden- und Falkenfelsen.

Erstaunlich ist hier am Bärenstein, dass am Felsen selbst anthropogene Bearbeitungsspuren zu finden sind und rund um den Felsen fein zugehauene Bausteine aus Buntsandstein, die erdgeschichtlich aus dem Erdmittelalter (Mesozoikum – Beginn vor ca. 230 Millionen Jahren) stammen. Erkennbar ist in unmittelbarer Nähe des Felsen auch eine ringförmige Erdvertiefung, bei der es sich um den ehemaligen Burggraben der kleinen mittelalterlichen Festung handelt.

Der zentrale, gewaltige Granitfelsen wurde mit dem leichter bearbeitbaren Sandstein und dem im Umfeld reichlich vorhandenen Holz so zu einer Festung ausgebaut, die, wie urkundlich dokumentiert, während des Mittelalters (zwischen ca. 1200 – 1500) bewohnt war. Neue Urkundenfunde belegen, dass es sich bei der Burganlage um die im Goldenen Buch der Stadt Straßburg erwähnte „dritte Windeck im Buehler Tale“ handelt.

Wiederherstellung des Treppenaufgangs

Dem schon lange gehegten Wunsch des Vereins folgten im April 2021 Taten. Das vergessene historische Kleinod „Burg Bärenstein“ wurde in Kooperation mit dem Historischen Verein Bühl wieder begehbar gemacht. Acht der massiven Treppenstufen waren ausgebrochen, und die galt es wieder einzusetzen.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Baerenstein_1782.jpg

Kurze Mittagspause. Von links: Walburga Eckert, Hansjörg Willig, Rainer Walter, Hans Lemcke. Foto: Jochen Hoerth

So versammelten sich bei leicht regnerischem Wetter fünf Mitglieder des Vereins, um unter Anleitung des Natursteinmauerexperten Guido Kohler aus Neusatzeck, die nicht einfache Arbeit anzugehen. Mit Hilfe eines kräftigen Kettenbaggers, den die Firma Willi Welle zur Verfügung stellte, wurden mehrere große Felsbrocken zur Sicherheit der Treppe versetzt, so dass  dann im Anschluss wieder die fehlenden Trittstufen eingesetzt  werden konnten. Auch wurde mit Hilfe des Baggers ein naturbelassener Zugangsweg gerichtet, den zuvor der zuständige Forstbeamte Martin Damm markiert hatte.

In Vorbereitung ist derzeit ein Informationstafel, die auf der talwärts gelegenen Seite des Treppenaufgangs Hinweise zur geografischen Lage und Geschichte der Burg liefern wird. Was vom Vorsitzenden des Kulturerbe-Vereins Hansjörg Willig vor nahezu 40 Jahren in einer Arbeit über den „Burgstadel Bärenstein“  vermutet wurde, ist durch aktuelle Urkundenfunde im Generallandesarchiv belegt: Die Burg Bärenstein ist tatsächlich die im goldenen Buch der Stadt Straßburg erwähnte „Dritte Windeck im Bühler Tale“.

Nach intensiver Arbeit konnte am  späten Nachmittag der erste und wichtigste Arbeitseinsatz am Bärenstein abgeschlossen werden. Das Aufstellen der Infotafel, das Streichen des Treppengeländers und kleinere Arbeiten am Zugangsweg werden in Kürze folgen. Willig bedankte sich bei allen Aktiven und gab der Hoffnung Ausdruck, dass mit der Wiederherstellung des „Bärensteins“  in unmittelbarer Nähe des von seinem Verein favorisierten „Nationalpark-Portals Sand“  eine kulturhistorische Attraktion für kommende Besucher geschaffen wurde.